Und nun ist Alice verschwunden. Diese Nachricht aus dem Pflegeheim bringt den Alltag dreier Töchter durcheinander und zwingt sie, gemeinsam über ihre Mutter und ihre jeweiligen Beziehungen zu ihr nachzudenken. War Alice nicht schon immer halb im Aufbruch, irgendwie auf dem Sprung in ein anderes Leben? Da gab es doch diese heimliche Liebe zu einer Frau, einer Schneiderin, nicht wahr? Sicherlich, zu Hause wurde darüber nie offen gesprochen, das blieb eher eine nur halbherzig kaschierte Grauzone. Die Schneiderin ist wie ein Schatten, eine flüchtige Randfigur, die sich bestens für allerlei Projektionen eignet. So rekapitulieren die Töchter nicht nur die konkreten Erinnerungs-Versionen aus der Zeit ihres Heranwachsens, sondern stellen sich auch Begegnungen vor, wie sie sich möglicherweise ereignet haben könnten. Das Verschwinden der Mutter verweist auf eine Leerstelle, auf die fehlende Kommunikation im gemeinsamen Zusammenleben über familiäre Rollen, Zuschreibungen und Erwartungen. Von dem tabuisierten blinden Fleck geht eine subtile Gewalt aus, wie ein Abgrund, der sich unerwartet auftut.